Worte der Bibel, theologische Lehrsätze, Dogmen, diese Botschaften wecken bei ihren Empfängern niemals den gleichen Glauben. Nicht zu den verschiedenen Zeiten und auch nicht unter Zeitgenossen. Immer reagieren wir auf die Botschaft als die je Einzelnen und als Kinder unserer Zeit.
Wenn wir dabei etwas vernehmen, was wir gemeinsam mit anderen glauben können, dann durch Vermittlung der Tradition. Hüterin dieser Tradition im Glauben durch die Zeiten ist die Kirche. Kern der Tradition ist das Wort der „Heiligen Schriften“, das den Glauben nährt und seine theologische Interpretation. Am „Wort“ und mit der Tradition ereignet sich mein Glaube, so wie ich ihn glauben kann. Ich bin dabei nicht abhängig von „Mutter Kirche“. Denn sie gewährt mir die Freiheit, mit diesem meinem ganz persönlichen Glauben durch die offenen Türen ihrer Verkündigung auf ganz verschiedenen Wegen zu gehen.
Deshalb kann ich auch im Gottesdienst noch immer ohne Scheu und Irritation die Worte des Apostolikums sprechen. Warum sollten mich dabei Zweifel befallen? Doch nicht beim Gedanken an Gott den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Vielleicht ein leichtes Achselzucken bei der Formel von der „Jungfrau Maria”. Ein Kopfschütteln dann doch bei der Auferstehung der Toten. Aber gewiss nicht beim Glauben an das ewige Leben. Und „an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn unseren Herrn.“ Ob Inkarnation des Logos oder maßgebender Mensch, das ist die Bandbreite des Glaubens. Kein Grund zum Schweigen.
Das Glaubensbekenntnis (so ein Gedanke von Petra Bahr) – das sind ja nicht die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen”, die von mir gemeinsam mit anderen bei besonderem Anlass oder sogar allsonntäglich im Vollzug des Aussprechens quasi unterschrieben werden müssen. Weil eine religiöse Existenz eben nichts mit der Unterschrift unter dogmatische Richtigkeiten zu tun hat. Im Bekenntnis aktualisieren wir vielmehr den Glaubensschatz der Kirche für unsere Gegenwart und jeder wird sich dabei das für ihn Richtige denken, das, was er eben glauben kann. Niemand darf ihm das verwehren, darauf sollen wir bestehen.
Alternative Bekenntnisse, bei denen sich wieder ein jeder sein Teil denken muss, würden uns, sollten sie mehr sein als Exempel für Glaubensmöglichkeiten, kaum in die Gemeinde der Gläubigen auf der Welt und in die Reihe derer stellen, die vor uns geglaubt haben, so wie das beim Sprechen des Apostolikums geschieht. Mit ihm bekenne ich nicht vor kritischen Zuhörern, um sie zu überzeugen. Ich spreche gemeinsam mit anderen, und viele von ihnen sprechen auch dort, wo ich vielleicht ein schweigendes Fragezeichen mache, oder mit der Schulter zucke.
Ich halte mich auch nicht für gescheiter als die, die vor unserer Zeit diese Worte für ihren christlichen Glauben gefunden haben. Auch wenn ich anderes und mehr über die Welt gelernt habe, was sie nicht gewusst haben. Ich bete wohl auch anders, weil ich in anderen Umständen lebe, von denen meine Vorstellungen der Welt und von Gott mit bestimmt werden. Nur: Mein Glaube wird damit nicht qualitativ überlegen. Eher befallen mich Zweifel, mancher Zugang zum Glaubbaren sei bei mir und meinen Zeitgenossen verschüttet, weil wir nur noch sehr enge Vorstellungen vom Glaubhaften haben.
Fortschritt in Glaubensdingen scheint eine fragwürdige Sache. Doch für das, was für den „modernen Menschen” glaubhaft sein kann, dafür öffnet ihm gerade die Wissenschaft, der er Vertrauen sozusagen auf Vorschuss schenkt, immer wieder neue erstaunliche Perspektiven, weit entfernt davon, ihm ein definitiv festgelegtes Weltbild zu liefern, das nur noch in Einzelheiten komplettiert werden muss. Das kann dann auch den Glauben mit bestimmen. Ich meine, es sollte ihn mit bestimmen.
Wir finden uns als Glieder einer Menschenkette mit einer konkreten gemeinsamen Lebensgeschichte, die nach vorne offen ist, in der das Neue sich aber nicht ohne Bedenken des bereits Erfahrenen denken oder auch im Glauben erfahren lässt.