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4. Naturwissenschaft und Glaube

Gibt es eine Konkurrenz zwischen Naturwissenschaft und Glauben? Haben manche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere in der Physik, Vorstellungen des Glaubens verdrängt – wie z.B. beim Verständnis der Entstehung der Welt und des Lebens? Sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit einem Eingreifen Gottes in den Geschehensablauf zu vereinbaren? Oder ist vielmehr das Verhältnis der beiden Erkenntnisformen neu zu bestimmen? Können sie sich gegenseitig ergänzen und fördern? Unterschiede sollen nicht verwischt werden. Aber es gibt Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Glauben, die bis zur gegenseitigen Ergänzung führen können. Die Begrenztheit beider Erkenntniswelten ist offenkundig. Keine kann einen berechtigten Anspruch auf die Erfassung der Gesamtwirklichkeit erheben.

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Unterschiedliche Ansätze von Naturwissenschaft und Theologie

Von großer Bedeutung für den Glauben ist heute sein Verhältnis zu den Naturwissenschaften. Ist es das einer Konkurrenz oder ergänzen sich beide gegenseitig?

Die Natur ist der Gegenstand der Erforschung durch die Naturwissenschaften. Unter Natur versteht man alles, was mit den Mitteln und den Messgeräten der Naturwissenschaften beobachtet, gemessen und beschrieben werden kann. Beobachtungen, die beliebig oft und von jedermann in gleicher Weise reproduziert werden können, werden mit Hilfe der Mathematik in Form von Gesetzen beschrieben. So wurde, ausgehend von der Beobachtung eines fallenden Apfels und der Bewegungsbahnen der Gestirne, mit Hilfe von Messungen fallender Gegenstände das Gravitationsgesetz abgeleitet.

Alle einmaligen (historischen) Prozesse können nicht reproduziert werden und entziehen sich somit einer physikalischen Untersuchung. Die Entstehung des Kosmos und seine Entwicklung sind ein Beispiel hierfür. Modellvorstellungen über die Entstehung des Kosmos werden aber die Gültigkeit der Naturgesetze berücksichtigen, um nicht von vornherein unglaubwürdig zu sein.

Mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Gesetze sind Vorhersagen von Ereignissen in der Zukunft und rückblickende Beschreibungen von Ereignissen in der Vergangenheit möglich.

Gegenstand der Naturwissenschaften ist die Beschreibung der Gegenstände und Ereignisse und von Beziehungen wie Ursache und Wirkung, nicht der Versuch einer Sinnfindung oder Sinngebung. Wenn logisch aus der Erkenntnis, dass alles „zeitlich“ geschieht, folgt, es gäbe generell nur „historische“ Feststellungen, werden auch alle mit streng naturwissenschaftlichen Methoden gewonnenen Ergebnisse relativiert. Mit der antiken Weltinterpretation (nach Heraklit und Platon): „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ ist auch die Grenze jedweder „Wissenschaft“ markiert. Alles Sein ist demnach nicht statisch, sondern im ewigen Wandel als dynamisch zu denken.

Theologie ist (nach überwiegendem Selbstverständnis) die durch göttliche Offenbarung begründete Lehre von Gott. Sie befasst sich mit der wissenschaftlichen Analyse der Inhalte von Glaubensdokumenten und der praktischen Ausübung einer Religion und ihrer Unterschiede zu anderen Glaubensrichtungen.

Theologie kann dem Ganzen der Evolution einen Sinn zuschreiben. Sie kann die Evolution als Schöpfung interpretieren.

Jeder Mensch kann aufgrund von religiösen Erfahrungen und mithilfe verschiedener Wissenschaften seinen Glauben entwickeln. Eine evolutionäre Veränderung individuellen und gemeinsamen Glaubens vollzieht sich aber auch ohne erkennbare eigene Aktivität.

Widersprüche zwischen Naturwissenschaft und Glauben?

Die Naturwissenschaften sind heute frei von Theologie. Sie machen keine Aussagen über Gott. Und die Theologie formuliert keine Naturgesetze und steht in ihren Aussagen in keinem Widerspruch zu den plausiblen und reproduzierbaren Aussagen der Naturwissenschaften. Es handelt sich um verschiedene Erkenntniswege, die von uns je einzeln wahrgenommen und nicht nur akzeptiert, sondern fruchtbar für unser Leben in Verbindung gebracht werden sollten.

„Dass es zwischen Naturwissenschaft und Glauben keinen Widerspruch gibt, ist die wichtigste Aussage in unserer Diskussion: Die naturwissenschaftliche Welt des experimentellen Wissens und die religiöse Welt des Glaubens können sich per definitionem nicht widersprechen, weil sie es mit zwei verschiedenen Bereichen und unterschiedliche Erkenntnismethoden zu tun haben.“

Mit keiner der beiden Erkenntniswelten allein, mit keiner einzelnen Wissenschaft allein kann die existierende Wirklichkeit hinreichend erklärt werden. Ihre jeweiligen Beschränktheiten sind offenkundig. Zum Beispiel beim Hören von Musik von Bach, der auch der fünfte Evangelist genannt wird, obliegt der Physik und Technik die Konstruktion der Instrumente, die Steuerung der Erzeugung und die Weiterleitung der Schallwellen, die Erzeugung der Schwingungen im Trommelfell und Signalübertragung in das Gehirn. Das eigentliche Hören der Musik und die damit verbundenen Empfindungen werden auf diese Weise aber nicht erfasst. Hier werden Wahrnehmungen angestoßen, die über die materiellen Abläufe hinaus gehen. Das wahrnehmende Hören mit seinen Sinnesassoziationen ist ebenso Teil der Wirklichkeit, wie auch die den Ton abstrahlende schwingende Saite oder eine Orgelpfeife. Erst die messbaren Abläufe und die emotionalen Empfindungen zusammen ergeben die Realität der Musik.

Texte in der Bibel, die scheinbar im Widerspruch zu unserer Naturerfahrung stehen, sind keine historisch oder gar naturwissenschaftlich beschreibende Darstellungen, sondern reine Glaubensbezeugungen in der Sprache der damaligen Zeit. Zum Beispiel heißt es in der Bibel bei Lukas in der Geburtsankündigung (Lk 1,35): „Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das von dir geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.“

Nach antikem Glauben wurden Herakles und Alexander durch Zeus’ „göttlichen Geist“ gezeugt und somit zu Gottessöhnen. Eine Frau konnte durch „Besehen“ eines Gottes schwanger werden. Die Mutter des vergöttlichten Kaiser Nero trug den Titel Gottesgebärerin.

Wie damals in der griechisch-mythologische Sprache, in der zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments über Gottessöhne und deren Mütter würdigend und anbetend gesprochen wurde, beeinflusst auch modernes Denken, heutige unterschiedliche Gottesvorstellungen.

Dementsprechend wird die Besonderheit Jesu nicht (mehr wie früher weithin verbreitet) in einer Schwangerschaft ohne männlichen Zeugungsakt gesehen, sondern in seinem unvergleichlichen engen Verhältnis zu Gott, von dem er mehr und anders erfüllt und bestimmt geglaubt wurde als andere Menschen; weshalb er auch mit einem schon damals gebräuchlichen Ausdruck „Gottes Sohn“ genannt und als solcher verehrt wurde.

Es gibt keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaften und Glauben, auch wenn sie sich der gleichen Sprache bedienen, die im Spiegel der jeweiligen Zeit verstanden werden muss. Naturwissenschaften und Theologie befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Wirklichkeit, die für sich genommen keinen berechtigten Anspruch auf die Erfassung der Gesamtwirklichkeit dieser Welt erheben können. Erst das Zusammenwirken beider Bereiche in Kenntnis ihrer jeweiligen Begrenztheit bringt uns weiter im Verstehen und Gestalten unserer Lebenswirklichkeit.

Diese Unterscheidung von Naturwissenschaft und Glaube ermöglicht es (und fordert!), Aussagen wie die über Weltentstehung und Schöpfung sowie von Evolution und Leben als Gabe Gottes, eigenständig mit den jeweils anerkannten Methoden zu erfassen und nach den Grundprinzipien der eigenen Betrachtungsweise zu interpretieren. Wer sich für den Glauben an Gott entscheidet, gewinnt nach Hans Küng eine Art archimedischen Punkt, von dem aus grundsätzliche Antworten auf die drei Fragen Kants gesucht werden können: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was dürfen wir hoffen?

Die metaempirische, philosophisch-theologische Betrachtung ist gleichberechtigt mit der naturwissenschaftlichen. Eine Monopolisierung im Sinne der Erkenntnis auf Seiten der Naturwissenschaften oder der Religionen führt zur Verabsolutierung von Teilwahrheiten, zu Intoleranz und zur Einschränkung der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten.

Zwischen Naturwissenschaft und Religion gibt es Berührungspunkte

Kann die Frage nach dem Einwirken Gottes in die physikalisch-naturwissen­schaftliche Weltvorstellung dadurch beantwortet werden, dass man in der Quantentheorie, Chaostheorie oder den Zufällen der Evolution nach „Fugen“ für Gottes Eingriff sucht?

Unzweifelhaft üben die heutigen Naturwissenschaften und die auf ihnen fußende Technik einen dominierenden Einfluss auf unser Leben aus. Das darf aber nicht zu dem Trugschluss führen, dass wir mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild die ganze Wirklichkeit oder die wichtigsten Teile davon erfasst hätten. Wir leben nicht nur in derjenigen Welt, die wir durch naturwissenschaftliche Methoden untersuchen und beschreiben. Da gibt es die erfahrbare Welt der Musik, der Poesie, der Schönheit, der Grausamkeit, usw., in der naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden versagen. Die eigentliche Frage ist: Welche Wirklichkeit haben wir bei der naturwissenschaftlichen Erforschung dieser Welt erfasst?

Eine Antwort ist, dass eine innerhalb der methodischen Grenzen erworbene Welterkenntnis herauskommt, die vor allem für technische Verwertungszusammenhänge bedeutsam ist. Die Folgerung lautet, dass dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu einem Schöpfer-Gott steht, denn die Erkenntnisse des Glaubens basieren zwar auf anderen, aber ebenso legitimierten Sinnerfahrungen.

Die Naturwissenschaften befassen sich per definitionem nicht mit der Erforschung von Gott. Aber es gibt naturwissenschaftliche Inhalte, die aus nichtnaturwissen­schaftlicher Sicht beschrieben und gedeutet wurden. Beim Erkenntnisfortschritt der Naturwissenschaften wurden hier Abgrenzungen und Klarstellungen von naturwis­sen­schaftlicher und z.B. theologischer Aussage notwendig und vorgenommen. (Schöpfung, Erde im Zentrum des Kosmos, Körper/Seele)

Es gibt Begriffe, die in den Naturwissenschaften und in der Theologie (und in anderen Geisteswissenschaften) benutzt werden, als ob ihre Bedeutungen identisch wären. Die Diskussion der Reichweite und Bedeutung der jeweiligen Begriffe in ihrem Bezugsrahmen dient der Klärung von Missverständnissen und der Schaffung von Einsichten. Dies ist das Feld des Dialoges zwischen der Theologie und den Naturwissenschaften (Begriffe wie: Zufall, Wirklichkeit, Zeit, Wahrheit, Kausalität, Gesetz, usw.)

Neben der Welterfassung gibt es immer die Frage nach dem Sinn des Lebens in jedem Menschen, wenn man akzeptiert, dass es keinen areligiösen Menschen gibt. Diese Trennlinie zwischen Denken in dem wissenschaftlichen Bereich und dem emotionalen Wirklichkeitsverständnis tritt nicht immer klar zu Tage und existiert Seite an Seite.

Eine Vermischung zwischen Naturwissenschaft und Glauben passiert zwar immer, denn selbstverständlich gleicht jeder Mensch, bewusst oder unbewusst, sein Welt- und sein Gottesbild, aufeinander ab. So besteht nicht nur die Gefahr von Vermischung, nein: ein bestimmter Grad von Vermischung ist gar nicht zu vermeiden.

Denn der Biologe denkt wie andere Wissenschaftler selbstverständlich auch über sein Fachgebiet hinaus über die Voraussetzungen nach, die hinter dem Wissen seines Faches liegen.

Jede Naturwissenschaft hat eine Wertebasis, Werte also die für ihr Forschen maßgeblich sind. Besonders deutlich wurde dies in der Atomphysik, als klar wurde, welche Folgen für die Menschheit daraus resultieren können (Atombombe, zerstörerische Radioaktivität, positiv Stromgewinnung). Hier ist die Verbindung der Naturwissenschaft zur Theologie unbedingt gegeben, weil, ob gewollt oder nicht, Verantwortung für sich und andere übernommen werden muß

Und der Theologe denkt selbstverständlich auch über sein Fachgebiet hinaus die Dinge mit, die hinter den Glaubens-Inhalten seines Faches liegen.

Beides muss erlaubt bleiben, ohne dass es als Legitimation für Spekulationen mit Gültigkeits- oder Wahrheitsanspruch dienen darf.

Wenn Theologen jenseits ihres Fachgebiets in der Naturwissenschaft nach Beweisen für ihre Vorstellungen suchen und diese Beweise entweder über Analogien oder über hypothetische Behauptungen oder über beides konstruieren, kann der Verdacht entstehen, dass sie dies tun, um ihre Nicht-Naturwissenschaft wissenschaftlich aussehen zu lassen.

Gibt es ein Einwirken Gottes auf das Weltgeschehen?

Die Physik denkt in nachweisbaren Ursachen und Wirkungen. Die Ursachen bewirken gemäß den Naturgesetzen die Wirkungen, und die Wirkungen lassen sich zurückführen auf Ursachen. Dass das immer so sein muss, kann nicht bewiesen werden, entspricht aber der Erfahrung und behält seine Gültigkeit bis zum Auftreten einer Wirkung ohne Ursache. Somit glauben die Physiker an dieses Wechselwirkungsprinzip. Auf Grund dieses „Glaubens“ sind sie nicht bereit, eine Wirkung, deren Ursache sie nicht kennen, als Wirkung ohne Ursache anzuerkennen oder einen nicht physikalischen Wirkgrund, wie ein Eingreifen Gottes, zu akzeptieren. Dies würde sie in ihrer Erforschung der Welt nicht weiter bringen.

Hingegen hat der „Glaube“ an die allgemeine Gültigkeit des Wechselwirkungsprinzips eine Vielzahl von neuen Erkenntnissen gebracht.

Der Naturwissenschaftler Jürgen Schnackenberg hält ein Gottesbild, das die Vorstellung eines von außen auf unsere Welt einwirkenden Gottes enthält, für unvereinbar mit dem Wechselwirkungsprinzip, also mit einer elementaren, bis jetzt empirisch zweifelsfrei begründeten physikalischen Aussage. „Wer dennoch ein solches, traditionelles Gottesbild zu einem integralen Bestandteil des christlichen Glaubens erklärt, nötigt damit die ohnehin kleine Minderheit von Naturwissenschaftlern, die sich überhaupt noch zu einem christlichen Glauben bekennen, ihren Glauben aufzugeben oder ihr Bewusstsein in einen christlichen und einen wissenschaftlichen Teil zu spalten oder gar eine elementare Aussage ihrer eigenen Wissenschaft nicht mehr ernst zu nehmen.“

„Die bescheidene, aber präzise Antwort des Physikers auf die Frage in der Überschrift dieses Abschnitts lautet also: Nein! Mit dem Zusatz. Dieses Nein gilt, es sei denn, wir könnten das Wirken Gottes im Experiment objektiv und reproduzierbar nachweisen.“

Im übertragenen Sinne des Wortes „Einwirken“ gibt es gar vielfältige Möglichkeiten, das Verhältnis Gottes zur Welt zu beschreiben. Der Physiker Albert Einstein war von der Einfachheit der die Natur beschreibenden Gesetze überzeugt, denn Gott, der die Welt erschaffen hat, sei ein großer Physiker. „Gott würfelt nicht.“ Diese Gottesüberzeugungen haben seine Forschung beflügelt und auch gehemmt.

Viele Menschen glauben wie Albert Einstein auf Grund ihrer Erfahrungen in dieser Welt, der Begegnung mit dem Nächsten, des Erlebens des Entstehens von neuem Leben, der Vielfalt der entstehenden Gedanken und durchlebten Emotionen, dass Gott die Welt erhält.

Die Antwort dieser Menschen auf die Frage in der Überschrift lautet „Ja. Ich erlebe immer wieder, dass ich mich im Glauben an das Wirken Gottes beschützt und geborgen fühle. Für mich ist dies eine Gewissheit.“

Leider kann diese subjektive Gewissheit nicht so objektiviert werden, dass sie im Prinzip für jedermann/jedefrau, zu jeder Zeit, an jedem Ort im Großen oder Kleinen nachempfunden werden könnte. Der Glaube bleibt ein Geschenk, das man sich weder erarbeiten, erkämpfen oder beschaffen, das man aber immer wieder erneut erbitten kann. (Aber wenn man darum bittet, glaubt man ja doch schon….)

Auch für den Theologen Hans Küng stellt sich (vgl. sein Buch „Was ich glaube“) auf dem Hintergrund seiner Kenntnis der Naturwissenschaften die Frage: Können wir in dieser Welt der Evolution überhaupt noch an Wunder durch Eingreifen Gottes in den Geschehensablauf glauben? Die Bibel ist voll davon, von Anfang bis Ende. Wie bringe ich diese Wundergeschichten mit dem streng kausalen Entwicklungsprozess zusammen, wenn da elementare Naturgesetze durch “Naturwunder” durchbrochen werden?

H. Küng hat „selbstverständlich Verständnis dafür, dass auch heute noch Menschen, die von den Ergebnissen der Naturwissenschaft wenig berührt sind, solche biblischen ‚Naturwunder’, die den lückenlosen Kausalzusammenhang verletzen, wortwörtlich nehmen wollen. … Doch aufgeklärte Gottgläubige brauchen Erzählungen von ‚Naturwundern’ nicht wörtlich zu nehmen oder gekünstelte naturwissenschaftliche Erklärungen dafür zu suchen. Schon die Ergebnisse der modernen Bibelwissenschaft bieten andere Verständnismöglichkeiten im übertragenen Sinn. Wunder sind in den Evangelien als Modellgeschichten für das Verhältnis von Jesus zu den Menschen und zur Welt erzählt. Diese Zeichen sind heute im übertragenen Sinn verständlich: so zum Beispiel die Wunderheilungen als gelebte Nächstenliebe oder die Auferstehung Jesu als Beginn und Erscheinungsform seines Weiterwirkens nach seinem Tod bis heute (was ja auch nicht weniger als ein „Wunder“ ist!).

Link zum Download der Stellungnahme des theol Arbeitskreises zu Hans Küngs Gottesverständnis

H.R. Stadelmann schreibt zu den Wundergeschichten in der Bibel: „Im Neuen Testament werden Erlösungser­fahrungen der Jünger und der urchristlichen Gemeinde häufig in Form von Wundergeschichten weitergegeben. Dass es sich bei sol­chen Wundern oder Zeichen nicht um Ereignisse handelte, in de­nen Jesus unter Zuhilfenahme übernatürlicher Fähigkeiten Natur­gesetze außer Kraft setzte, versteht sich im evolutionären Welt- und Gottesbild von selbst. Die Menschen der damaligen Zeit dach­ten aber nicht naturwissenschaftlich und kannten auch keine Na­turgesetze im heutigen Sinn, sondern erklärten ihre Erfahrungen im Rahmen des herrschenden dualistischen Weltbilds: Jedes Ge­schehen, auch jedes Naturgeschehen, wurde entweder der Macht Gottes oder einer bösen dämonischen Macht zugeschrieben. In der ganzen antiken Welt waren Dämonenglaube und Dämonenfurcht weit verbreitet, so dass gerade Geschichten über Dämonenaustrei­bungen den ersten Christen besonders geeignet erschienen, um ih­re zum Leben befreienden Erfahrungen mit Jesus bildhaft in Wor­te zu kleiden und sie den in jener Zeit ohnehin auf Wunder aller Art begierigen Mitmenschen weiterzugeben. Die zu Wunderge­schichten überhöhten und verklärten Erfahrungen sollten also zum Glauben an den „Gottessohn” aufrufen. Dies gilt auch für die mit Sicherheit unhistorischen Naturwunder Jesu, wie die Stillung eines Seesturms oder die Verwandlung von Wasser in Wein.“

Kann Gott in der Zukunft wirken?

Die Physik kann nur über Vergangenes berichten. Da gibt es Erklärtes und Unerklärtes. Göttliches kommt nicht vor, weder im Experiment noch in der Theorie. Die Physik ist frei von Theologie. Der Erkenntnisweg der Physik hat aber die Begrifflichkeit der Kausalität eingeführt, die die offene Zeit voraussetzt. Was in dieser offenen Zeit passieren kann, darüber kann die Physik keine Aussage machen. Der Theologe sieht hier aber deutliche Hinweise auf ihr Welt- und Gottesverständnis und auf die Offenbarungsschriften. Im Vertrauen auf Gottes Wirken und seiner Gegenwart wendet sich der Beter an ihn mit der Bitte, das Beste für sie/ihn zu schaffen, ihr/ihm zu neuen Möglichkeiten und Einsichten zu verhelfen und ihn schützend zu begleiten. Dies sollte nicht als ein Gottesbeweis missverstanden werden, sondern als Verdeutlichung, dass es zwischen Naturwissenschaften und Religion keinen Widerspruch gibt. Sie vertreten zwei unterschiedliche Erkenntniswege einer Wirklichkeit. Zwei Wege, die sich hier im Zeitbegriff begegnen.

Nach neueren theologischen Auffassungen war Gott als „Schöpfer“ nicht nur am Anfang des Kosmos (als Auslöser des „Urknalls“) aktiv, sondern er ist dies dauernd in einer „creatio continua“ als Schöpfer von Neuem und Erhaltes des Bestehenden. Stadelmann spricht z.B. von Gott als einem in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wirksamen „Weltgeist“, dessen Möglichkeiten nicht im Widerspruch zu naturwissenschaftlichem Verständnis stehen.

Fügung oder Zufall?

In der Physik ist der „Zufall“ ein Ereignis, das eintreten kann, weil die Randbedingungen nicht hinreichend eng gewählt oder bestimmt worden sind. Die hochgeworfene Münze fällt auf „Wappen oder Zahl“, wenn der Wurf diese Möglichkeiten zulässt. Man möchte z.B. durch eine Zufallsentscheidung die Platzwahl am Beginn eines Fußballspiels treffen. Wenn ich aber die Versuchsbedingungen so wähle, dass die Münze immer nur auf eine Seite fallen kann, dann ist der Zufall weg. Auch der experimentelle Aufbau entscheidet z.B. über die Erscheinungsform des Lichtes als Welle oder Korpuskel.

Den Begriff der Fügung gibt es in der Physik nicht, wohl aber in der Religion. Wenn Ereignisse, die an sich unabhängig von einander sind, in einen Sinnzusammenhang gebracht werden oder als auf ein Ziel gerichtet eingeordnet werden, dann spricht man von Fügung. Fügung passiert nicht objektiv, sie wird subjektiv entdeckt und entspricht einem Deutungszusammenhang, der auf Gottes Eingreifen bezogen sein kann.

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