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14. Der andere Gott – damals und heute

In der Bibel und in menschlichen Erfahrungen zeigt sich Gott auch anders als im alltäglichen Glaubensleben: Als gewalttätig, rätselhaft, verborgen, strafend, feindlich. Was ist das für ein „guter Gott“, der von einem Vater das Opfer seines Sohnes verlangt (Abraham und Isaak im Alten Testament) und dem rechtschaffenen Hiob ohne Grund alles wegnimmt?

Steht das im Widerspruch zu dem Gottesbild Jesu, der oft von Gott als dem guten Vater spricht und ihn so auch im „Vaterunser“ anspricht? Christliche Verkündigung kann von einem evolutionär verstandenen Gottesbild aus auf das Gottesverständnis Jesu hinführen und nach heutigen Formen der Rede von Gott fragen (vgl. auch die Entwicklung der Gottesvorstellungen in „Gott 9.0“).

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In der Bibel und in menschlichen Erfahrungen zeigt sich Gott auch anders als im alltäglichen Glaubensleben: Als gewalttätig, rätselhaft, verborgen, strafend, feindlich. Leid und Tod versuchen die Menschen zu ertragen, aber der „andere“ Gott zeigt sich als über alles Maß zerstörerisch, widersprüchlich und unglaubhaft. Kein „guter Gott“, der von einem Vater das Opfer seines Sohnes verlangt (Abraham und Isaak im Alten Testament) und dem rechtschaffenen Hiob ohne Grund alles wegnimmt.

Die Bezeugungen und Berichte von diesem bedrohlichen Wesen sind überwiegend in den Frühzeiten des Glaubens entstanden, in denen Gott wie eine Naturgewalt oder willkürlich wie andere Götter damals erlebt wurde. In den Zeiten der Ausbreitung des Monotheismus treten die widersprüchlichen Züge im Gottesbild zurück; aber der Tod Jesu am Kreuz wurde in der ersten Zeit des Christentums auch als grausames Opfer verstanden, das zur Erlösung der Menschheit notwendig war.

Jesus selbst hatte ein anderes Glaubensbild von Gott: Auch als er sich am Ende von Gott verlassen fühlte, konnte er immer noch beten „Mein Gott, ….“. Sein Gott war und blieb „Vater“, von allem und allen, ohne die allzu menschliche Begrenzung dieses Begriffs. Umfassend nahe allen, die ihn brauchen. Wirkend (auch und vor allem) in denen, die ausgegrenzt sind und denen mit Opfern nicht zu helfen ist. Dieser Gott eröffnet größere Zusammenhänge als frühere Geschichten von ihm. Er lässt auch in dem, was verloren ist, Neues finden. Er ist noch im Kommen. Auch Christen sind frei, Gott anders und neu zu finden – auch wenn das herkömmliche Gottesbilder unzureichend werden lässt.

Wer an Gott als allmächtiges Wesen glaubt, wird es auch für möglich halten (müssen), dass er Menschen so auf die Probe stellt wie Abraham mit einer Tötung seines einzigen Sohnes Isaak, oder wie Hiob. Das steht zwar im Widerspruch zu anderen Wesenszügen Gottes wie der Liebe zu seinen Geschöpfen, Erhaltung des Lebens durch seine Gebote und Vergebung von Schuld, aber insbesondere der Gott des Alten Testaments ist niemandem Rechenschaft schuldig. Auch nicht in extremen Fällen wie in der aus der Frühzeit des Gottesglaubens stammenden Geschichte von der von Jahwe persönlich befohlenen Opferung Isaaks durch Abraham. Juden, Christen und Muslime, die sich dieser Tradition des Gottesglaubens verbunden fühlen, haben nach Erklärungen gesucht. Diese sind z.T. auch in der Religions­geschichte zu finden, nach der sich der Gottesglaube erheblich verändert und entwickelt hat. Nicht einmal Tieropfer sind heute noch üblich, und („verdienstvolle“) Opfer gibt es nur noch im übertragenen Sinn. Lässt sich am Beispiel der aus grauer Vorzeit stammenden Abraham-Geschichte heute noch unbedingter Gehorsam gegenüber Gott als Vorbild predigen?

Es geht darin ja auch um die Zukunft und das Wachstum des nach jüdischem Glauben von Gott auserwählten Volkes Israel, die Gott zwar versprochen hatte, die aber doch oft (von ihm zugelassen?) elementar gefährdet waren. Der Zugang zum Verständnis dieser symbolischen Formen, sich an solche Gefährdungen und Bewahrungen in der gemeinsamen und individuellen Geschichte zu erinnern und (sicher nur von ferne) nachzuempfinden, ist für heutige Menschen wohl verstellt. Um Erfahrungen und Bewährungsmöglichkeiten in Problem- und Krisensituationen zu reflektieren und aufzuarbeiten gibt es andere Methoden.

Christliche Predigt wird sicherlich von einem evolutionär verstandenen Gottesbild aus auf das Gottesverständnis Jesu hinführen und nach heutigen Formen der Rede von Gott fragen – wenn denn solche Texte überhaupt noch für Sonntagsgottesdienste vorgegeben werden.

Der damalige Gott war ein personal verstandener Gott, der wie andere Götter die Menschen belohnen und bestrafen konnte, sich also um sie kümmerte, viel von ihnen forderte und (im Alten Testament) einen gnadenlosen Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen befahl.

Christlicher Glaube wird heute, wenn überhaupt, von Prüfungen, Strafen und Zerstörungen Gottes nur im übertragenen Sinn reden, wenn es darum geht, lebens- und naturgefährdende Ereignisse und Entwicklungen (z.B. auch in der Evolution) in einem größeren Zusammenhang zu verstehen und zu erklären. In deren Interpretation kann dann sowohl die persönliche wie auch eine überindividuelle Sicht ihren Ausdruck finden oder wenigstens versucht werden („Ich bin seit über 40 Jahren Nichtraucher und habe jetzt Lungenkrebs..“). Viel hängt davon ab, welches Sündenverständnis zugrunde liegt.

Heute gibt es von Gott zahlreiche unterschiedliche Vorstellungen. Sie zeigen, dass sich das Gottesbild in den Religionen und auch im Christentum geändert und entwickelt hat. Das ist Chance und Anregung für Glaubende, das eigene Gottesbild zu überprüfen. Insbesondere die Frage, warum Gott so viel Böses bei und durch einzelne Menschen und Völker zulässt, führt oft zu einseitiger Profilierung des Gottesbildes. Der Theologe Matthias Kroeger weist darauf hin, dass auch Martin Luthers Gottesbild dunkle Seiten hat, er aber Gott weder für ungerecht noch für willkürlich handelnd hielt. „ Erst in Schaffen und Vernichten, in Gnade und Schicksal ist die ganze helle und dunkle, gnädige und schwere Wahrheit des Göttlichen begriffen, die wir nicht nur lieben, sondern „fürchten und lieben’ sollen“ (vgl. auch den folgenden Text „Gott entschuldigen?“ Das Problem der Theodizee).

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